16.05.2010

15.05.2010

BECKETT OR NOT TO BE - von Goedart Palm





Samuel Beckett, der Unausdeutbare. Samuel Beckett, der große Schweiger. Samuel Beckett, der Höhepunkt und Überwinder des Existenzialismus. Ist Samuel Beckett nicht literarisch das Schicksal zuteil geworden, das er seinen heillosen Figuren, die so tot wie lebendig sind, existenziell bereitete? Lesen wir seine „Texte um Nichts“ heute nicht bereits wie Zeugnisse eines schal gewordenen Endzeit-Diskurses, hinter dessen Horizont es eben doch weiter geht? Im Übrigen kennen wir sattsam den wohligen Masochismus einer bürgerlichen Kultur, die ihrem künstlerisch inszenierten Bankrott im Theater beiwohnt und dazu zu applaudieren gelernt hat. Beckett blieb von dieser seltsamen Heiligsprechung nicht verschont, obwohl in seiner unhieratischen Welt nichts zu kanonisieren ist.

Es war einmal fundamental anders. Theodor W. Adorno rüstete Samuel Beckett zum Säulenheiligen des Postexistenzialismus auf, bescheinigte ihm die avanciertesten, der „Ästhetischen Theorie“ nach nicht zu überbietenden Kunstmittel, die jede künstlerische Anstrengung danach als vergebliches Unterfangen erscheinen lassen möchten. Adorno-Bashing mag eine spätmoderne Mode einstiger Apologeten sein, aber die angestrengteste Beschwörung des überhistorischen Stands der eigenen philosophischen Produktivkräfte mutet dialektischem Verständnis nach inzwischen selbst so antiquiert an, wie es Adorno keinem geringen Teil der zeitgenössischen Kultur vorwarf. Adorno avancierte nicht zur zeitlosen Mode, sondern wurde Moment der Frustration oder des schlechten Gewissens ewiger Bescheidwisser, deren Wirklichkeit mit Luft in Berührung kam und verkümmerte. Was jenseits kulturindustrieller Vermarktung von einem ehrfurchtgebietenden Chefkritiker bleibt, der selbst Gottfried Benn zu gefährlich erschien, um es auf ein öffentliches Streitgespräch mit ihm ankommen zu lassen, sind vornehmlich einige Sentenzen und eine „minima moralia“, die in ihren permanenten Wiederholungen viel von ihrem einstigen Pathos verloren hat. Dieser kärgliche Befund, diese Entzauberung der je so selbstgewissen Kritik, könnte auch den Verdacht gegen Beckett schüren, lediglich jenen vom Existenzialismus getriebenen Zeitgeist für einen kurzen historischen Moment auf die Spitze getrieben zu haben. Adornos Beckett-Verständnis ist in nuce der Kern seiner ästhetischen Theorie und Becketts Figuren sind die lakonischen Zeugen der negativen Dialektik, in der sich jede Hoffnung in bleiche Erinnerungsspuren auflöst. Hinter dem Endspiel kommt negativer Ästhetik zufolge nichts mehr, der Horizont markiert keine Erwartung mehr, sondern wird zur ewigen Grenze des Irrenden. „HAMM: Und der Horizont? Nichts am Horizont? CLOV das Fernglas absetzend, sich Hamm zuwendend, voller Ungeduld: Was soll denn schon am Horizont sein?“

„Qu’est-ce que la littérature?“ fragte Jean-Paul Sartre 1947 agitatorisch bis kämpferisch, um dem gemäß den humanen Horizont zu bestimmen, der nach der traumatischen Kriegserfahrung noch plausibel ist. „Beckett stellt die Existenzialphilosophie vom Kopf auf die Füße“, lautet Adornos Kernthese, die im Existenzialismus noch eine letzte falsche Versöhnung mit den vorgeblichen menschlichen Freiheitsoptionen wittert. Dabei hatte doch gerade Sartre dieser bürgerlichen Gesellschaft vernichtend bescheinigt: "Die Hölle, das sind die anderen." Auch wenn der inzwischen nach seinen schönen wilden Jahren vorsichtig wieder entdeckte Existenzialismus Katastrophen und menschliche Untiefen kennt, hält er hartnäckig am Selbstentwurf der Freiheit fest, auch noch in den bedrängtesten Situationen, die Menschen den Verdammten dieser Erde, also ihren Nächsten und Fernsten, bereiten. Beckett, der zu Sartre einen eher lädierten Kontakt hatte, zielte dagegen auf alles andere als eine littérature engagée, die nicht nur die Literatur erfüllte, sondern auch den Dichter zu politischem Handeln motivierte und Jean-Paul Sartre noch jenseits des Rentenalters als engagierten Hardcore-Aktivisten auswies. Bei Peter Weiss erreichte „la cause du peuple“ dann einen so denkwürdigen wie hoffnungslos wirklichkeitsversessenen Höhepunkt in seinem 1968 uraufgeführten, paradigmatisch formulierten "Diskurs über die Vorgeschichte und den Verlauf des lang andauernden Befreiungskrieges in Vietnam als Beispiel für die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker sowie über die Versuche der Vereinigten Staaten von Amerika, die Grundlagen der Revolution zu vernichten".

... weiter lesen unter folgendem Link:
http://www.glanzundelend.de/auswahl/palmbeckett.htm

11.05.2010

nach dem "what you see is what you see"














w.dieckhoff:nach dem nihilismus, in: Kunsttheorie im 20. Jahrhundert: Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews (HG.harrison, wood)

02.05.2010

Max Bill konkrete kunst

Max Bill

Olympische Ringe, 1970

Farbserigraphie 87 / 92

AG448 81 x 58 cm

konkrete kunst nennen wir jene kunstwerke, die auf grund ihrer ureigenen mittel und gesetzmässigkeiten – ohne äusserliche anlehnung an naturerscheinungen oder deren transformierung, also nicht durch abstraktion – entstanden sind.
konkrete kunst ist in ihrer eigenart selbständig. sie ist der ausdruck des menschlichen geistes, für den menschlichen geist bestimmt, und sie sei von jener schärfe, eindeutigkeit und vollkommenheit, wie dies von werken des menschlichen geistes erwartet werden muss.
konkrete malerei und plastik ist die gestaltung von optisch wahrnehmbarem. ihre gestaltungsmittel sind die farben, der raum, das licht und die bewegung. durch die formung dieser elemente entstehen neue realitäten. vorher nur in der vorstellung bestehende abstrakte ideen werden in konkreter form sichtbar gemacht.
konkrete kunst ist in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem mass und gesetz. sie ordnet systeme und gibt mit künstlerischen mitteln diesen ordnungen das leben. sie ist real und geistig, unnaturalistisch und dennoch naturnah. sie erstrebt das universelle und pflegt dennoch das einmalige, sie drängt das individualistische zurück, zu gunsten des individuums.

Max Bill: konkrete kunst, in: Ausstellungskatalog zürcher konkrete kunst, 1949.

Bitte zu diskutieren. Der Text stammt von der Seite des Museum für Konkrete Kunst, wo es noch mehr input gibt.